1 CUO 637

Gelegentlich fahre ich unter der Woche spät abends nach Fremantle und beobachte das Meer und zugleich die Be- und Entladevorgänge der riesigen Containerschiffe an den Docks. Das ist deutlich unterhaltsamer als das eher dümmliche australische Fernsehprogramm. Vermutlich beim Queren irgendeines Eisenbahngleises hat Falk leider sein vorderes Kennzeichen verloren – unauffindbar, trotz meiner Suche entlang der gesamten Strecke. “Diese gestohlenen oder verlorenen Kennzeichen werden dann normalerweise für irgendwelche kriminellen Machenschaften verwendet”, teilt mir vergnügt die Schalterdame an der Zulassungsstelle mit. Ich hoffe seitdem, dass “1 CUO 637” nicht in irgendwelchen breaking news auftaucht.

In Australien haben die Behörden das Exklusivrecht, Kennzeichen zu prägen. Und auf Wunsch ein bestimmtes Kennzeichen nachzuprägen dauert dann eine Behördeneinheit (atu=authority time units), das sind derzeit etwa 3-4 Wochen. Stattdessen bekam ich aber einfach für schlappe 28$ (18€) einen neuen Satz Kennzeichen aus dem riesigen, fortlaufend nummerierten Vorrat – und so trägt Falk nun die Kennzeichnung “1 GPE 970”. Will man nicht die gewöhnlichen Kennzeichen, sondern welche mit hippem Design, so muss man tiefer in die Tasche greifen – mindestens $500 kosten dann allein die Kennzeichen! Die Behörde hält hierfür allen möglichen Schnickschnack bereit: stylische Farben, Symbole, Einrahmungen, usw.

Für besonders kurze Kennzeichen, wie z.B. “1”, “PS” oder “SEX”, gibt es eine eigens eingerichtete Kennzeichenauktion, bei der diese begehrten Kennzeichen ersteigert werden können. Allein die Gebühr, ein einziffriges Kennzeichen dann auf den neuen (vermutlich stolzen) Besitzer zu übertragen, beträgt $10.540,80 (sic!), zusätzlich zum Auktionspreis. Die erstmalige Zuweisung so eines Kennzeichens kann also vermutlich über Jahre eine zusätzliche Kindergärtnerin finanzieren – ich finde Deutschland sollte hierüber nachdenken.

Die neuen Kennzeichen am Falk sind jetzt übrigens etwa 10fach verschraubt – man lernt ja aus Fehlern (ich gebe zu, das alte Kennzeichen hing eher so auf Halbmast…). Nach der Anstrengung gibt es erstmal einen selbstgemachten Deluxe-Burger:

Nachdem ich nun monatelang rumgenölt habe, dass ich mich in einem Großraumbüro (hier etwa 6 Personen) nicht konzentrieren kann, hatte mein Chef nun ein Einsehen und hat irgendeinen Kollegen aus der Verwaltung aus seinem Büro vertrieben, damit ich dort stattdessen einziehen kann. Ich weiß nicht wer das war – aber interessiert hätte es mich schon, über wem ich da als kleiner Tagelohnprogrammierer in der Hackordnung stehe. Den Umzug habe ich heute vollführt, mein neues zweites Zuhause heißt nun also Room 337 (also beinahe 1337 – yeah!). Kommt gerne jederzeit auf ein kakaohaltiges Milchmischgetränk vorbei!

Doppel-Bildschirm is’ voll 2000er – hier wird geklotzt statt gekleckert.

Auch der australische Winter stellt einen bei der Freizeitgestaltung der langen und düsteren Abende vor eine besondere Herausforderung. In einem op-shop (kurz für opportunity-shop; im Deutschen: Second-Hand-Laden) habe ich einen uralten Wir-bauen-uns-ein-AM/FM-Radio-Bausatz für ganze 3$ (1,90€) gekauft – neu und originalverpackt. Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen – das Ding funktioniert tatsächlich!

Zum Ausklang noch ein Abendspaziergang im Kings Park:

75,2 Nanosekunden

Sitzt man 16 Stunden lang im Flugzeug, beispielsweise auf dem Weg von Frankfurt nach Perth, kommt man zuweilen nicht umhin, sich mit der quälenden Nutzlosigkeit dieser großen Zeitdauer auseinanderzusetzen. Flugzeugessen schmeckt ja im Grunde nur deshalb (einigermaßen) gut, weil diese Ereignisse des Mahlzeiteneinnehmens die schier unendliche Zeitspanne des Fluges zu durchstechen scheinen – Mit einem floskelhaften Chicken or beef, Sir? Any coffee or tea for you, Sir? werde ich gelegentlich aus meiner Gedankenwelt ins Flugzeug zurückgeholt.

16 Stunden. In 16 Stunden schafft ein Athlet fast zweimal die gesamte Distanz eines Iron Man. Man selbst sitzt. Man kann währenddessen immerhin knapp 10 massentaugliche Hollywoodspielfilme schauen, oder etwa 500 Runden Reversi gegen den Flugzeugcomputer spielen. Oder 192 mal einen wenig erholsamen Fünfminutenschlaf abhalten – oder auch 192 mal die Flugzeugtoilette besuchen, obwohl man gar nicht muss. Dort kann man immerhin eigene Grimassen im Spiegel bewundern – der Unterhaltungswert selbiger kann, bei entsprechender Übung, ohne weiteres denjenigen der genannten Hollywood-Gassenhauer übersteigen.

Neben schlafen habe ich die Zeit diesmal auch mit rechnen verbracht. Wenn man soviel herumfliegt wie ich es derzeit tue, spart man einen erheblichen Teil der Lebenszeit durch den relativistischen Effekt der Raumzeit ein. [Wiederum ist nicht klar, ob man diese Zeit bei der Zeitsparkasse gutgeschrieben bekommt, noch, ob man diese in einem Stressmoment wieder abheben kann, eines (zu kurzen) Tages.]

Mein überschlägige Rechnung ergab nun, dass ihr auf dem Boden Gebliebenen während meines Fluges ins Känguruland rund 75,2 Nanosekunden mehr gealtert seid als ich – ein Flugzeug ist eine Zeitmaschine! Zeitdilatation nennt das der Physiker. Allein im bisherigen Jahr 2018 ergeben sich für mich dadurch Zeiteinsparungen im Bereich von rund 600 Nanosekunden – Ich bin also auf dem besten Wege zur vollen Mikrosekunde!

Unsinniger Quatsch? Ja, vielleicht. Legen wir nun einmal das Bezugssystem in das Flugzeug. Im Grunde ergibt sich für mich, im Flugzeug sitzend, nichts weiter als eine Längenkontraktion auf dem Weg von Frankfurt nach Perth von etwa 21 Mikrometern (also 0,021 Millimetern). Perth ist somit nur um ein winziges Stückchen näher an Frankfurt herangerückt – und der Flug dauert noch immer quälend lang, aber es sind eben nur 15 Stunden, 59 Minuten und 59,9999999248 Sekunden.

Doch allein durch’s Rechnen – und jetzt kommt die Moral – verringerte um Stunden sich die lange Qual. Kontraktion, Dilatation – der Captain spricht: Wir landen schon!

Leigh Creek

Das wechselhafte Seeklima in Adelaide zwang uns, diese Woche von einem anderen Flughafen aus unsere Testflüge fortzusetzen. Nicht nach Perth, Sydney, oder Melbourne – nein, in das entlegene Leigh Creek sind wir dem Outback Highway gefolgt, etwa 550 km nördlich von Adelaide. Hier gibt es Nichts, und davon sehr viel. Außerdem gutes Flugwetter.

Leigh Creek war eine Stadt der Mineure, die sich Anfang der 80er Jahre ihr eigenes Grab geschaufelt hat: Der Ort selbst musste dem riesigen Braunkohletagebau weichen, so dass der Ort 1982 einige Kilometer weiter neu errichtet wurde – und zwar großzügig, denn alles schien auf Expansion hinzudeuten. Bis in die 90er Jahre hatte das neue Leigh Creek tatsächlich noch über 2000 Einwohner. Doch nachdem sich die Braunkohleförderung nicht mehr rentierte, ging die Bevölkerung auf heute etwa 150 zurück (kaum 50 Menschen scheinen sich hier aber tatsächlich aufzuhalten). Der Ort gleicht einer Geisterstadt! Ein Kindergarten ohne Kinder. Eine großzügige Schule ohne Kinder. Riesige Spielplätze ohne Kinder. Die Schulbücherei öffnet nach Vereinbarung.

Auch die am Ort verlaufende, historische Eisenbahntrasse Port Augusta-Alice Springs, die im 19. Jahrhundert noch von kamelbespannten Zügen befahren wurde, liegt heute brach. [Ein fun fact am Rande: Australien ist bis heute ein wichtiger Kamelexporteur!]

In Leigh Creek sieht Australien genau so aus, wie man es sich schon immer vorgestellt hat: Völlige Leere, weite Landschaften, steppenartiges Buschland, riesige Spinnen und eine bemerkenswerte Topographie, wie z.B. der bemerkenswerte Mount Remarkable (961 m). Die australischen Kollegen bezeichnen diese Landschaft einfach als outbackish – das fasst es gut zusammen. Neben erhabenen Falken sieht man viele Kängurus mit Sprungfedern an den Füßen. Die meisten Kängurus legen sich jedoch an den Straßenrand, gerne zum längeren Verweilen, manche am Stück, manche in Teilen. Wildwechsel ist hier ein ziemliches Problem auf den Straßen – die Leute vermeiden daher Fahrten bei Dämmerung oder Dunkelheit. Wer zum wiederholten Male Stoßstange und Motorhaube nach einem Kängurueinschlag reparieren musste, der greift gerne zur roo-bar (nicht foo-bar! roo-bar – das kommt von: kangaroo). Das ist ein besonders großes und stabiles Gestänge, das Auto und Insassen schützen soll – siehe Bild.

 

Oben: roo-bar; Mitte: Das Nichts; unten: Tankstelle im 70s-Stil.

Der Flughafen von Leigh Creek liegt eine knappe Autominute vom Ort entfernt. Und auch hier finden wir: Nichts. Nur ein schrottiges Kleinflugzeug, das irgendwer zum Sterben hier abgestellt hat. Auch die Regularien sind überschaubar – man benutzt den Flughafen einfach. Kein Anmelden oder Registrieren. Niedrige Zäune gibt es zwar, doch lediglich um Kängurus auszusperren (jedoch ohne Erfolg – auf dem Vorfeld liegen einige Känguruköttel). Freundlicherweise haben wir trotzdem kurz bei Rob angerufen und gesagt, dass wir den Flughafen dann die nächsten Tagen benutzen werden. – “Alrighty, no worries.” Rob ist der Flughafenmanager und -betreiber von Leigh Creek – nebenberuflich.

Mittelpunkt des sozialen Lebens von Leigh Creek ist die Leigh Creek Tavern, die einzige Kneipe, das einzige Restaurant. Das einzige W-LAN. Hier kommt allabendlich der gesamte Ort zusammen: der Typ von der Tankstelle, die Frau von der Hotelrezeption, der Typ aus der Bäckerei, Rob, eine Handvoll Touristen, die Gastwirte selbst natürlich, und ein Pilot und ein paar suspekte Wissenschaftler aus dem fernen Adelaide. Die ganze Atmosphäre würde gut in einen Roman von Stephen King passen…

Falk

… heißt mein Neuer. Ein Straßenschiff vom Typ Ford Falcon, Baujahr 2003, 4 Liter, gefühlt 10 Meter lang, mit gerade erst 230.000 km – für australische Verhältnisse also fast ein Neuwagen. Falk hat ungefähr 1000 PS und etwa genauso viele kleinere Mängel, die ich jetzt nach und nach alle beseitige. Endlich kann ich wieder schrauben – der Roller lief ja besorgniserregend gut bisher.

Links: Falk vorher; rechts: Falk nachher. Ein Schnäppchen, umgerechnet in Euro kostete Falk nur etwa 6 Mark 50.

Da Falk einen im Vergleich zum Roller riesigen Tank hat, habe ich mich heute erneut dem irritierenden Thema Benzinpreise angenähert. Mir kommt das ja schon seit einiger Zeit komisch vor, dass sich die Preise an meiner Stamm-Tankstelle teilweise sehr sprunghaft verändern. Das Internet bestätigt mein laxes Gefühl: Pünktlich jeden Dienstag, präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, gehen die Preise um rund 25 Cent pro Liter nach oben, um dann täglich um 4 Cent wieder zu sinken (Quelle: wafuelfinder.com):

[ULP steht für Unleaded Petrol, PULP ist dann Premium-ULP]. Dienstags kostet eine Tankfüllung somit 20 Dollar mehr als montags. Doch nicht nur diese Tankstelle macht das so – ganz Perth ist so getaktet! Meine Internetrecherche hierzu ergab, dass das keinen besonderen Grund hat – es sei einfach eine merkwürdige Erscheinung der freien Preisbildung. [Was meint ihr?]
Die australische Verbraucherbehörde hat diesen so genannten petrol price cycles eine eigene Internetseite gewidmet. Hier wird ausführlich gezeigt, dass jede Stadt solche Zyklen hat – die frappierenderweise aber in jeder Stadt anders sind. An der Ostküste gibt es Preiszyklen, die Periodenlängen von mehreren Wochen aufweisen (Sydney und Adelaide: ca. 3 Wochen, Brisbane und Melbourne: 4 Wochen). Sogar 11-Tages-Zyklen wurden bereits beobachtet.
Hier auf einen Blick die Durchschnittspreise in Perth der letzten Wochen (links), sowie in Melbourne im selben Zeitraum (rechts).

Puh, welch trockenes Thema für einen Blogbeitrag – zur besseren Verdaubarkeit gibt es heute Whole Grain Rye Bread der ALDI-Edelmarke Deutsche Küche. Es schmeckt tatsächlich wie ein einfaches deutsches Discounter-Vollkornbrot, doch es kostet fast so viel wie ein Auto.

Thematisch auch über Eloquenzbrücken unerreichbar ist dieses Schlusslicht: Wer seinen Angehörigen zu Lebzeiten schon allzu oft auf der Tasche lag, der kann wenigstens seinen Fahrschein in den Himmel schon heute lösen. Prepaid funerals sind der heiße Scheiß. Im Bild nicht zu erkennen ist, dass es hier ausschließlich Motorradparkplätze gibt. Klar, wer hier die Zielgruppe ist. Ein Schild mit der Aufschrift “Prepaid funerals available – Bikers Welcome!” wäre wohl angebracht – wurde es jedoch nicht.

 

Property Inspection – Nachtrag

Ich habe nun eine Kopie des zehnseitigen Inspektionsreports erhalten. Um hier den Unkenrufen zu begegnen, bei David und Putzkontrolle stießen zwei Welten aufeinander, präsentiere ich hier einen Auszug: Alles grün! Alles hübsch! Alles sauber! Nix zu beanstanden!

Gäbe es eine Urkunde für besondere Ordnung und Gründlicheit, hätte ich vermutlich eine Ehrenurkunde bekommen. Seidt stolz auf mich!

Loriotisch? Loriotesk!

Heute flug ich von Adelaide zurück nach Perth. Im noch am Gate wartenden Flugzeug spielten sich lorioteske Szenen ab.

Um den Einsteigevorgang zu beschleunigen, sollten alle Fluggäste der hinteren 15 Sitzreihen durch die Tür ganz hinten in das Flugzeug einsteigen (über so eine mobile Treppe, wie in der alten 3-Wetter-Taft-Werbung: “London. – Umsteigen bei Regen. – Die Frisur hält. – Drei-Wetter-Taft.”). Die vorderen 15 Sitzreihen sollten wie gewohnt durch die Gangway vorne einsteigen. Eigentlich doch eine super Idee! Das sollte den Einsteigevorgang ohne weiteres von 20 Minuten auf 10 Minuten halbieren, oder nicht?

Leider haben viele diese Anweisung nicht richtig mitbekommen, und so stiegen nun hinten einige Leute ein, die ganz vorne sitzen sollten, und vorne solche, die ganz hinten Platz zu nehmen hatten. In dem einzigen schmalen Mittelgang passten aber zwei Erwachsene kaum aneinander vorbei, schon gar nicht mit carry-on-Gepäck in der Hand. Es entstand ein kaum vorstellbares Gerangel und Gequetsche im Gang, es ging nicht vor und nicht zurück. Deadlock nennt der Informatiker so etwas.

Durch feines Beobachten konnte ich in dem Wirrwarr im Wesentlichen zwei Bewältigungsstrategien der einzelnen Fluggäste erkennen:

  1. Quetschen, quetschen, quetschen! Dabei auch gerne das eigene Handgepäck schonmal von Fremden im Gang durchreichen und am Platz verstauen lassen, damit man das wenigstens schonmal los ist und besser aneinander vorbei passt.
  2. Eine policy of détente: Da die meisten Sitzreihen ja noch leer waren (es standen ja alle noch im Gang und sich gegenseitig im Weg), wurden diese Sitzreihen kurzerhand als Puffer verwendet, um sich dort vorübergehend niederzulassen, bis der größte Stau dann vorüber ist, so dass man dann weniger bedrängt zu seinem Platz finden könnte – das wurde auch aktiv so kommuniziert. Man gewährt also den anderen im Grunde den Vortritt und setzt auf Entspannung. Das klingt doch erstmal gut.

Nun! – Der Flug war vollständig ausgebucht. Man benötigt keine Chaos-Simulation mit einem Supercomputer um zu erahnen, dass die zweite Strategie das Ganze dann vollständig zum Erliegen gebracht hat! Denn nach und nach erreichten nun immer mehr Quetsch-Fluggäste ihren Sitzplatz, welchen einige aber dann belegt vorfanden von dort zwischenpuffernden Fluggästen. Die Damen und Herren mussten sich nun also auch noch innerhalb der engen Sitzreihen aneinander vorbeiquetschen, oder der Neuankömmling musste sich im Rückwärtsgang wieder in den vollen Gang pressen und den zuvor puffernden Gast höflich ebenfalls in den Gang bitten, wo sich die Lage hierdurch zusätzlich verschärfte. Es war ausweglos.

Das Bordpersonal konnte da natürlich wenig helfen – an das Bilden einer Rettungsgasse war hier nicht zu denken.

Die Australier machten das alles mit einer erstaunlichen Gelassenheit und teils britisch-bourgeoiser Höflichkeit – dieser Umstand hat die ganze Szene umso loriotesker erscheinen lassen. Leider kennen die Australier Loriot nicht und haben deshalb wohl auch den besonderen Witz an dieser Situation nicht erkannt.

Der Einsteigevorgang dauerte am Ende rund 35 Minuten.

PCR reloaded? Property Inspection!

Nach dem Einzug in meine Wohnung hatte ich ja bereits die Freude, einen Property Condition Report (PCR) gegenzulesen und zu ergänzen, was einen halben Tag in Anspruch nahm. Entgegen meiner Hoffnung wurde ich hierdurch das Hausverwaltungsspukgespenst aber noch nicht los: Alle drei Monate macht die Hausverwaltung eine Property Inspection, d.h. jemand kommt in die Wohnung und macht Fotos, notiert ggf. Dinge und prüft dabei auch, ob das Wohnungsinventar (z.B. Küchengeräte) noch in Ordnung ist. Das ist alles gesetzlich so geregelt. Der Bewohner muss dafür auch nicht unbedingt zu Hause sein, die Hausverwaltung hat ihren eigenen Satz Schlüssel und geht dann zum angekündigten Termin einfach in die Wohnung…

Als Deutscher bereitet mir das natürlich ziemliche Kopfschmerzen. Privatsphäre spielt in so einem Mietverhältnis hier offenbar eine eher untergeordnete Rolle, ganz zu schweigen vom Datenschutz: Die Fotos von jedem Winkel der Wohnung werden einfach mit einem privaten Smartphone gemacht, was mit den Bildern und Daten passiert weiß niemand so genau. Leichenteile sollte man ggf. rechtzeitig im Kühlschrank verstecken, dessen Inhalt nämlich nicht kontrolliert wird.

Davon abgesehen eröffnen diese Inspektionen eine hervorragende Masche für Einbrecher: sich einen hungrigen Maulwurf in einer Hausverwaltung zu halten. Ich habe Bernsteinzimmer und Nibelungenschatz deshalb lieber nicht mit nach Australien genommen.

Nun war ich ein wenig unsicher, was da genau auf mich zu kommt. Auf einer Webseite der westaustralischen Regierung fand ich, diese Inspektionstermine seien nicht dafür da, um zu kontrollieren, ob der Mieter auch gut putzen und staubwischen kann und ob alles schön aufgeräumt ist. Immerhin bewohnt er ja die Wohnung und kann das ja handhaben wie es ihm beliebt, solange dadurch die Wohnung nicht nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wird – nur das sollte Gegenstand der Inspektion sein.

Demgegenüber hörte sich die Ankündigungsemail der Hausverwaltung aber irgendwie doch nach einer straffen Putzdrachenkontrolle an:

(Zitat Anfang)

Tenant Guide For Inspections

The following is a guide only to the areas that we will be checking at the inspections.

Inside

  • Stove, grill, oven, and trays
  • Exhaust fan covers
  • Range hoods
  • Windows and window tracks
  • Carpets vacuumed or cleaned if necessary
  • Floors cleaned throughout
  • Marks removed from walls and skirting’s dusted
  • Cobwebs removed
  • Wet areas to be thoroughly cleaned and mould free
  • Light fittings to be cleaned and in working order
  • Kitchen all surfaces to be thoroughly cleaned

Outside

  • Rubbish, cobwebs, grease, and oil stains to be removed from patios, verandahs, garages, and carports
  • (…bei mir Unzutreffendes…)

(Zitat Ende)

Also kurzgefasst: Putzen, putzen, und nochmals putzen!

[Man beachte die Details wie skirting’s dusted, also das Abstauben sämtlicher Fußleisten, oder auch cobwebs to be removed from carports, also das (unsinnige) Entfernen von Spinnweben im Carport – die Spinne spinnt sich ihr Netz am nächsten Tag dann halt neu…]

Ich hatte nun also zwei Möglichkeiten:

  • Der Vorgehensweise der Hausverwaltung widersprechen, das Ganze ggf. rechtlich anfechten und zur Not vom Gericht bestätigen lassen, gegen das Richterurteil nötigenfalls in Revision gehen und bis vor’s Bundesgericht ziehen, oder
  • einfach mal putzen.

Ich habe mich nach langem Ringen tatsächlich für den mühsamen Weg entschieden: Putzen! [Obwohl der andere Weg viel mehr meinem Naturell entsprochen hätte.]

Heute dann war der große Tag: Die Inspektion. Zwei aufgebrezelte Ladies staksten mit ihren high heels durch die Wohnung, fotographierend und unterbrechungsfrei tratschend. Ihr Schuhwerk hat dem Fußbodenbelag mehr zugesetzt als alles, was ich hier in den letzten fünf Wochen getan habe.

Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei. Tschüssing und bis baldrian, in drei Monaten sehen wir uns ja schon wieder…

 

tdatS red ni rhekrevneßartS

Der Straßenverkehr ist, wie schon erwähnt, komplett falsch herum. Ich habe mich ganz gut daran gewöhnt und träume inzwischen von Falschfahrzusammenstößen auf Straßen in Darmstadt. Eine Ausnahme gibt es jedoch: In Australien gilt die Rechts-Vor-Links-Regel, diese wurde irritierenderweise nicht auf ihr spiegelverkehrtes Pendant umgebaut.

Aber in der Stadt sind ohnehin fast alle Knotenpunkte vorfahrtsgeregelt, außer Einmündungen (T-intersection), wo im ungeregelten Falle immer die durchgehende Straße Vorfahrt hat. Besonders irritierend aber für mich: An vielen (vierarmigen) Kreuzungen erkennt man nur daran die eigene Vorfahrt, dass in der Querstraße STOP-Schilder stehen, deren Rückseiten man ja dann nur sieht! Wer findet sie im Bild?

Es gibt weder ein Äquivalent zum Zeichen 306, noch zum Zeichen 301 (StVO), das man hier eigentlich erwarten würde.

Ampeln gibt es in Australien sehr, sehr viele. Üblicherweise zeigen 2-3 Ampeln dasselbe im Bereich der Haltlinie, wie in Deutschland auch, jedoch kommen nochmal so viele hinter dem Knotenpunkt hinzu. Das ist gar nicht so schlecht, weil man wirklich nie eine Ampel übersieht. Andererseits ist es auch irritierend, da man als Links- oder Rechtsabbieger dann stets die Rot zeigenden Ampeln der Querstraße überfährt – das fühlt sich erstmal sehr verboten und schlimm an. Wieviele Ampeln findet ihr hier, die gerade für mich Rot zeigen?

Links: Hier 1 Schild, das häufig auf 1 Ampelkreuzung folgt (wie Zeichen 120, StVO?):

Rechts: Entenfamilien stehen unter dem besonderen Schutz des Department of Transport (aufgenommen an der Curtin University). Da fährt man doch gerne nur 40 km/h – ja, es geht hier metrisch zu. Mit oft 60 und teils 70 km/h Höchstgeschwindigkeit eignen sich die innerstädtischen Straßen aber meist gut für das zügige Zurücklegen der im Schnitt weiteren Alltagsstrecken.

Hier hat sich die Universität etwas ganz Feines ausgedacht: Wer hier zu schnell fährt, der gräbt sich selbst eine Grube, in die er sodann selbst hineinfällt: Ein Metallblock senkt sich um etwa 20 cm ab, so kurzfristig, dass ein Reagieren ausgeschlossen ist. Man fällt in die Grube. Auch mit einem Roller ist das unangenehm. Seitdem fahre ich hier lieber nur 30.

Insgesamt steht auf australischen Schildern alles in Worten, was man wissen muss, so dass man nur mit wenigen Symbolen, Formen und Farben konfrontiert wird.

AUS VIER FAHRSTREIFEN WERDEN HIER DREI! DIESES HAUSHOHE ÄQUIVALENT ZUM ZEICHEN 121-10 STVO SCHREIT EINEN AUF DEM INNERSTÄDTISCHEN ALBANY HIGHWAY AN. WER DAS NICHT LESEN KANN IST BLIND!

Tanken für 1,299$ pro Liter (0,811€) – das klingt doch erstmal gut. Allerdings kriegt man an dieser Tankstelle zu diesem Preis kein Benzin. Man zahlt 1,339$ pro Liter und erhält, wenn man will, irgendwelche unnötigen Werbecoupons für Läden, in die man gar nicht gehen will, im Werte von 4 Cent pro Liter. Ich finde das unlauter. 95er Benzin ist übrigens deutlich teurer – aber der Preis wird vorsichtshalber gar nicht erst auf der Preistafel angezeigt! Beschiss!

Behäbig und unbeeindruckt vom pulsierenden Straßenverkehr der Stadt erhebt sich der Mond über Karrinyup. Gute Nacht!

Bits and Pieces

Mein heutiger Beitrag handelt von diesem und jenem (weitere thematische Beiträge sind in Arbeit).

Das britische Schiff Benjamin Franklin der Reederei CMA CGM, das meine Möbel, Musikinstrumente, Badmintonschläger, Handtücher und Bettdecken nach Australian bringen soll, entfernt sich mit jeder Minute weiter von Perth. Es steuert im Moment den Hafen der chinesischen Hafenstadt Tianjin an (gesprochen in etwa: Schangsching). Kein Wunder, dass das alles so lange dauert. Das ist etwa schon der fünfte Hafen auf dem Weg von Hamburg nach Perth. Zum Glück kann ich Position und Fahrtrichtung live per Internet verfolgen (s. Bild links), so dass ich es dann am Kai in Fremantle empfangen kann. Geplante Ankunft ist der 9. April.

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechts: GoogleEarth bietet ja inzwischen erstaunliche Stadtansichten. Meine Wohnung befindet sich- na wo wohl? – genau: in 54 Canning Highway, Victoria Park. Es ist das breite Haus mit dem roten Dach. Der Fluss ist nah, ebenfalls die Flussinsel Heirrison Island (hier leben nur ein paar Kängurus), und selbst die Innenstadt wäre fußläufig erreichbar (rechts, gerade nicht im Bild, ist eine Brücke) – allerdings ist die Stadt Victoria Park (die Einheimischen sagen kurz Vic Park) ein sehr viel schönerer Ort zum Flanieren, wenn man nicht gerade besonders auf Hochhäuser und Verkehrslärm steht.

Australier lieben Schilder. Die Botschaft dieses Schildes im Kings Park ist klar: Spaßhaben verboten! Zeigenswert fand ich es besonders aufgrund des freundlichen Hinweises am unteren Rand: Hochzeitsfotos verboten! Zumindest auf den Wegen. Ich frage mich, wie es hier zuging, bevor dieses Schild errichtet wurde.

Wer in Australien besonders öko und hip ist, der trennt seinen Müll. Es gibt nur zwei Kategorien: Recycling und Restmüll. Wem das nicht reicht, der fährt auf dem Weg zur Arbeit an einer von mehreren Altpapiersammelhüttchen vorbei, um seine alten Zeitungen loszuwerden. Täglich geöffnet zwischen 8 und 16 Uhr.

Unten links: Eine Fahrrad-Reparatursäule am Flussufer. Das Fahrrad kann man auf den Träger hängen und dann in ergonomischer Arbeitshöhe reparieren. In Holland wäre diese die Erwähnung vermutlich nicht wert, aber in einer rein autobasierten Stadt wie Perth muss man das schon als äußerst fortschrittlich bezeichnen.

Da freut sich auch das Känguru, das ich im Kängurustreichelzoo aufgenommen habe. Hier noch mehr Kängurubilder, gebt es zu, das wollt ihr doch sehen:

Links: Kängu-Ruh’ in fast menschlich anmutender Pose. Rechts: Eine Kängurumama mit Kängurukind. Es ist eigentlich wohl schon etwas zu groß für den Beutel, hat sich aber dennoch kopfüber hineingestürzt (Hinterläufe und Schwanz sind noch zu sehen).

Hier noch ein ganz pussierliches Tierchen: ein Wombat. Diese schläfrige Mischung aus Biber und Hausschwein schuf Gott am achten Tage, nach der durchzechten Schöpfungsparty am Vorabend.

Die kleine Stadt Lancelin, zwei Stunden nördlich von Perth, hat sich für den Tourismus etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Die riesigen, weißen Sanddünen sind tagsüber für sämtliche Spielereien freigegeben – und das sogar kostenlos. Allradgeländewagen, Quads, Motocross-Bikes, Mountainbiker, Sandboarder, sogar Sandskifahrer – hier kommt alles zusammen – nur hoffentlich nicht zu nah (s. Hinweisschild). Ein riesiger Sandkasten für erwachsene Kinder.

Mein Rollerchen ist dafür leider nicht ausreichend geländegängig, aber dann doch immerhin genügend um in dieser benachbarten, bizarren Kalksteinwüste herumzufahren (bzw. zu sliden):

Abschließend wieder ein Sonnenuntergang, diesmal von meinem derzeitigen Lieblingsstrand:

 

David, mach ma mehr Bilder!!!11

Nungut. Der Pöbel verlangt, ich bediene. Hier kommen noch ein paar Fotos.

In Adelaide arbeite ich im Moment an einem kleinen Forschungsinstitut für Kleinflugzeuge (mit Schwerpunkt auf Messflügen). Die Leute dort im Team heißen Andrew, Jörg und Wolfgang. Mich eingerechnet waren wir heute also ein Australier und drei Deutsche. Die Verbindung nach Deutschland sieht man an verschiedenen Stellen… Hier mein Schlüsselbund für das Gelände und den Hangar:

 

Obwohl die nicht wissen konnten, dass ich ein Rechenmaschinennerd bin, haben sie mich an diesen Schreibtisch hier gesetzt: Ein voll funktionsfähiger Riesen-Rechenschieber, made in Germany!! (Er kam wohl zu Lehrzwecken an der Flinders University in Adelaide zum Einsatz.) Der Tag heute verging wie im Flug…

So sieht das Messflugzeugchen aus, mit dem wir und die Sensoren hier fliegen werden (die Flügelspannweite beträgt rund sechs Rechenschieber):

Hier noch Außenansichten meiner Wohnung in Perth – Wohnen wie im Palmengarten:

Dieser Mietwagen hat mir in der ersten Woche sehr geholfen. Übrigens ist in Australien Linksverkehr, aber man nennt es hier right hand driving. Ööh?! Hab mich schon ganz gut daran gewöhnt. Weil auch die Armaturen vertauscht sind, schaltet man regelmäßig den Scheibenwischer statt des Blinkers ein. Ein untrügliches Zeichen, dass man Tourist ist. Die anderen Verkehrsteilnehmer lachen dann immer herzlich und schwenken kleine Deutschlandflaggen.

 

Nach drei Tagen Perth habe ich es ohne nicht mehr ausgehalten: Hier das Opa-Motorrad, das ich mir hier gebraucht von einer alten Lady gekauft habe. Ein praktischer Yamaha-Roller mit genug Stauraum für einen Wocheneinkauf, aber auch mit immerhin 400 cm³ Hubraum, Einzylinder, 4-Takt. Fühlt sich an wie eine Harley. Knattert gewaltich. Ausreichend kräftig und bequem für Wochenendausflüge in die Prärie. Der stolze Besitzer ist rechts im Bild zu erkennen.

 

Unten links ein Hinweis, der auch in Deutschland in ähnlicher Form nicht selten in Mülltonnenbereichen zu finden ist – Kartons klein reißen, keinen Müll ‘rumstehen lassen (wegen, ääh, Beutelratten?)… Hinweis 4 fand ich aber noch ganz nett: Dinge, bei deren Anblick andere sich unwohl fühlen könnten, sollten nur gut verpackt in die Mülltonne geworfen werden. Ich denke hierbei an Dinge wie Modern-Talking-Schallplattencover, Leichenteile, oder auch lebensgroße Pappaufsteller von Donald Trump (die muss man kleinreißen und blicksicher verpacken – das ist also schon fast Sondermüll). Rechts unten: Das erste von mir in Australien selbstzubereitete Gericht – stilecht und yummy!