Am 8. Februar 2018 hatte die Umzugsfirma meine Sieben Sachen abgeholt, und einen großen Haufen Pappe verpackt. 54 teils große Kisten (z.B. eine mit meinem Fahrrad drin).
Am 26. April, also nach gerade mal 11 Wochen, kam dann der beladene Umzugskleinlaster mit zwei gut gelaunten und hochmotivierten Schränken von Mitarbeitern bei mir an. Meine Aufgabe war es, jede Kiste die ins Haus getragen wurde, auf einer Liste abzuhaken.
Am Ende der finale Check: …, 33, 34, 35, 36, 37, ööh – 39 — huch? Da fehlte eine Kiste. Aber was war drin in dieser Kiste 38? Laut Liste sollten hier desk drawers (also Schreibtischschubladen) drin sein. Nun, mein Tisch hat insgesamt vier Schubladen und die waren alle da, in anderen Kisten. Das hab ich dem Mitarbeiter auch gezeigt. Hm. Na dann ist ja alles gut. Dachten wir. Gab es vielleicht einfach nie eine Kiste 38?? Phantomenös!
Erst am nächsten und den darauffolgenden Tagen bemerkte ich Dinge, die fehlten: Alle Strom-, Computer-, Video- und Audiokabel, ein alter Laptop, sowie mein gesamtes Stationery, das ist im Englischen der Sammelbegriff für Dinge wie Tacker, Locher, Notizbücher und Ratzefummel. Der Listeneintrag meinte also wohl nicht die desk drawers selbst, sondern den Inhalt derselben.
Der Mitarbeiterschrank hatte in der Firma natürlich längst gemeldet, dass alles da war, und, naja diese Kiste 38, öööh – ach egal. Und so begann für mich die rhetorische Schwerstaufgabe, der Umzugsfirma zu erklären, dass eben doch nicht alles da war, ääh ja gut, die Schubladen waren da, stimmt schon, aber der Inhalt fehlte.
Das hat intern dann offenbar riesige Wellen geschlagen, der Auslieferschrank rief mich noch am Tage meiner Meldung abends an und meinte (wörtliches Zitat): Shit, mate, the boss is jumping! [Ob er nur im Dreieck sprang, oder entlang komplexerer geometrischer Formen, ist mir nicht bekannt.] Herr Schrank wollte mich dann zu irgendwelchen schriftlichen Erklärungen überreden und kam hierfür am Tag drauf früh um 6:30 nochmal zu mir in die Wohnung. Damit wir uns gemeinsam irgendeine konsistente Geschichte überlegen könnten, wie wir seinen Kopf wieder aus der Schlinge seiner Vorgesetzten kriegen. Eine für mich eher unangenehme Situation; weitere Anrufe folgten.
Der Hüne hat mir inoffiziell verraten, dass niemand so genau sagen kann, bei welcher Etappe Kiste 38 verloren ging – im Warenhaus in Frankfurt, beim deutschen Zoll, im Hamburger Hafen, beim Umladen in Indien, oder in Fremantle beim Zoll, der Quarantänestation oder im dortigen Warenhaus der Firma. Eigentlich wird bei jeder Station kistengenau abgehakt, aber da wird in der Praxis ‘mit einem gekonnten Blick’ der Haufen angeschaut – sieht das aus wie 54 Kisten? Joar, passt scho – Zack feddich, Umzuch.
Die Firma hat dann etwa 3 Monate lang in ihren Lagern, auch in Frankfurt, nach Kiste 38 gesucht. Ohne Erfolg. Vielleicht wird sie im Jahr 2525 ans antarktische Ufer angespült, wo sich eine post-menschliche Lebensform in der heißen Mittagssonne über meinen alten Locher freuen wird.
Das Drama um Kiste 38 endete für mich heute, 5 Monate später: Ich bekam eine Erstattung von $429 auf mein Konto überwiesen. Davon werde ich mir einen güldenen Locher bestellen. Von den übrigen $80 werde ich versuchen eine Wurst zu finden, die nicht aus Altpapier besteht.
